Das Navi im Auto als Vorbild für die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft

 

Smart Home und das Navigationsgerät im Auto haben etwas gemeinsam. Sie haben Zeit für die Durchsetzung als Anwendung benötigt. Was uns das Navi für Smart Home lehrt. 

Nur 40 % der deutschen Autofahrer würden eine Einwilligung zur Übermittlung von Fahrdaten an ihre Fahrzeugversicherung geben. Ganz anders die (vor allem jungen) Autofahrer in den USA und China, denen die gleiche Frage gestellt worden ist und die zu mehr als zwei Dritteln der Übertragung der Daten zustimmen würden.

Mobilitätsstudie von Continental 2018

Das ist eines der Ergebnisse der Mobilitätsstudie 2018 des Reifenherstellers Continental.

Die Blackbox für die Unfallaufklärung wird da ganz anders gesehen. Hier gibt es eine vielausgeprägtere Zustimmung zur Nutzung der Systeme, die das Internet und die Vernetzung des Autos ermöglichen. Etwa drei Viertel der Autofahrer würden in den genannten Ländern der Auswertung dieser Daten zustimmen.

Auch automatische Hinweise zur Wartung und ähnliche Services sind durchaus gefragt. Vor allem Hinweise zu Fahrtrouten, zu freien Parkplätzen, der Umfahrung von Staus sind sehr willkommen.

Skepsis verursacht das automatisierte Fahren. Vor allem in Deutschland stehen die Befragten dieser Neuerung zurückhaltend gegenüber. Nur etwa 40 Prozent der Befragten gaben an, dass das automatisierte Fahren in den kommenden 5 oder 10 Jahren zum Alltag gehört. Diese Erwartung ist in den weiteren Ländern, in diesen die Studie durchgeführt wurde, deutlich ausgeprägter.

Alles, aber keine persönlichen Daten

Während die Vorteile der vernetzten Systeme und der Digitalisierung in Anspruch genommen werden, ist die Bereitschaft zur Übertragung persönlicher Daten nicht sehr hoch. Etwa 40 Prozent der deutschen Autofahrer würden der Übermittlung auch von persönlichen Daten im Rahmen der Bereitstellung der abgefragten Services zustimmen.

Rückschlüsse für die Immobilienbranche

Die Zwischenergebnisse der Mobilitätsstudie geben wertvolle Hinweise für andere Branchen, auch für die Immobilienbranche.

Das Navigationssystem in Pkws ist das Leitbild, an dem sich auch die Immobilienbranche orientieren sollte.

  1. Grundsätzliche Zustimmung – Grundsätzlich besteht Zustimmung zur Nutzung von vernetzten Anwendungen aus dem Internet of Things. Vor allem digitale Services, denen Nutzen für den Einzelnen erkennbar ist, werden positiv gesehen. Das ist  auch bei Smart Home und weiteren digitalen Anwendungen in der Immobilienwirtschaft so, auch wenn der Durchbruch bislang nicht erfolgt ist.
  2. Angebote, die die Menschen verstehen – Die Angst vor dem Unbekannten ist sehr ausgeprägt. Aber welche Dienste werden angenommen? „Die Menschen nutzen vor allem Angebote, die sie verstehen und die ihnen einen echten Mehrwert bringen. Das zeigt die große Akzeptanz der Angebote für das Verkehrsmanagement: Vor über 20 Jahren haben unsere Entwickler das erste Auto-Navigationssystem in Serie gebracht. Heute kennt sie jeder, nutzt sie jeder. Die Service-Vorteile, die moderne Smartphones bieten, werden auch im Auto gerne angenommen“, sagte Continental-Vorstandsmitglied Helmut Matschi.
  3. Komplexe Systeme mit Schwierigkeiten? – Das bedeutet, dass es komplexe Systeme in der Benutzerakzeptanz schwerer haben als einzelne digitale Anwendungen. Bezogen auf die Immobilienwirtschaft dürfte deshalb ein Mieterportal mit vielfältigen Anwendungen langsamer die Akzeptanz der vorgesehenen Benutzergruppe finden, als eine App, die nur einen Teilbereich abdeckt, z.B. die Nebenkostenabrechnung. Auch die Systeme, die Augmented Reality einsetzen und nicht allein auf dem Handy einsetzbar sind, haben sich in der Vergangenheit nicht durchgesetzt. Die Komplexität könnte diesen ebenfalls im Weg gestanden haben.
  4. Schrittweise ausbauen besser als komplex starten? – Der Drang, möglichst viele Elemente in einer Anwendung unterzubringen, scheint demnach kontraproduktiv zu sein. Es könnte angebrachter sein, eine Anwendung mit einem Inhalt zu starten und diese erst dann auszubauen, wenn die Akzeptanz der Benutzergruppe eine kritische Masse überstiegen hat. Die Immobiliensuche per App und als mobile Anwendung hat sich durchgesetzt. Das zeigen die Zugriffe auf Portale wie Immobilienscout24 von mobilen Endgeräten. Auch das belegt die These, dass Anwendungen, die die Menschen verstehen, eine breite Akzeptanz finden.
  5. Langer Atem – Das Navigationssystem ist inzwischen ca. 20 Jahre auf dem Markt und hat sich in dieser Zeit zu einem selbstverständlichen Tool entwickelt. Ein langer Atem bei der Einführung von digitalen Anwendungen ist demnach erforderlich. Damit die zu gewinnenden Nutzer die Anwendung „verstehen“, ist die Wiederholung von Erklärungen und dauerhafte Thematisierung auf allen Kanälen erforderlich. Mieterzeitungen, Mailings, Informationsveranstaltungen, Aushänge usw. sind zwar ein Medienbruch. Für die Akzeptanz der Nutzer scheint dieser Wechsel zwischen dem digitalen und dem realen Leben ein wesentlicher Faktor zu sein.
  6. Einfache Anwendung – Der Wurm muss nicht dem Angler schmecken. Erfüllt die Steuerung des Smart Home die Anforderungen der Nutzer an eine einfache Anwendung und an das „Verstehen“ dieser digitalen Anwendungen? Möglicherweise sind diese digitalen Helfer zu komplex und mit zu vielen einzelnen Elementen (Licht, Heizung regulieren, Türschloss öffnen, einzelne Elektrogeräte steuern, Alarmanlage an- und ausschalten, Jalousien herauf- und herunterfahren usw.) verbunden, um eine breitere Akzeptanz zu finden. Die Sprachsteuerung von Geräten scheint einen schnelleren Siegeszug zu gehen, als die Apps, die ähnliche Aufgaben übernehmen. Hier scheint die Einfachheit in der Anwendung die Akzeptanz stark zu beeinflussen.
  7. Single Purpose vor Multi-Anwendung – Der Siegeszug der Online-Bewertung von Immobilien sowohl auf Anbieter- als auch auf Anwenderseite ist ein weiteres Beispiel für einerseits den Nutzen, den digitale Anwendungen stiften können und andererseits für Anwendungen mit einer klaren Ausrichtung. In der Immobilienbewertung läuft im Hintergrund ein komplexes Geschehen ab, das der Anwender nicht erkennt. Für den Anwender hat die Online-Bewertung von Immobilien den einzigen Zweck, dass ein Wert ermittelt wird. Der Erfolg dieser digitalen Anwendung rührt offensichtlich daher, dass ein Single-Purpose verfolgt wird und nicht noch weitere Anwendungen damit kombiniert werden. Würde eine Wertermittlung und ein Angebot für eine Immobilienfinanzierung und ein Gebäudeversicherungswert usw. ermittelt und ausgeworfen werden und würde zudem in der Werbung für das Produkt diese multiple Anwendung herausgestellt werden, wäre die Online-Bewertung von Immobilien voraussichtlich nicht so erfolgreich. Ein weiteres Beispiel ist die digitale Wohnungsübergabe, das das Zeug dazu hat, dass es sich in der Anwendung durchsetzen könnte, solange damit nicht diverse Anwendungen verbunden werden.
  8. Kontrollverlust als Grund für Skepsis – Die Erwartungshaltung der Befragten zum Durchbruch des automatisierten Fahrens ist in Deutschland am wenigsten ausgeprägt. Obwohl das Auto als Statussymbol in allen Ländern, in denen die Studie durchgeführt wurde, als ähnlich eingestuft werden kann, zeigt auch dieses Ergebnis die nicht sehr ausgeprägte Offenheit gegenüber technologischen Neuerungen. Der damit einhergehende Kontrollverlust mag dafür eine Ursache sein. Auch das kann eine Art Warnsignal für andere Branchen sein.

(Dieser Beitrag wurde am 25.01.2019 erstellt und am 29.01.2019 und am 07.03.2019 aktualisiert.)